clearvise AG Analyse

Ein diversifiziertes Portfolio

an Wind- und Solarparks in Europa

 

ISIN: DE000A1EWXA4
Datum: 16.01.2023
Aktienanzahl: 75.355.529
Aktienkurs: 2,40 €
Marktkapitalisierung: 181 Mio. €

 

Kurz und knapp

Erfolgreiche Neuausrichtung. Die ersten zehn Jahre der Unternehmensgeschichte wurde clearvise von Abo Wind geführt und hatte selbst kaum Mitarbeiter. Doch dann kam Petra Leue-Bahns in 2020 und fing an, das Unternehmen umzukrempeln. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde ein Netzwerk an Projektierern aufgebaut und das Portfolio stark diversifiziert.

Starkes Wachstum. Im Jahr 2022 wurde das Portfolio auf eine Nennleistung von 303 Megawatt (MW) ausgebaut. Für 2023 & 2024 zeichnet sich bereits ein deutlicher Sprung auf über 500 MW ab. Mit einem noch größeren und diversifizierteren Portfolio bahnt sich eine Neubewertung an.

Günstige Bewertung. An der Börse wird clearvise nur halb so hoch wie Wettbewerber 7C Solar-
parken bewertet. Clearvise hat zwar eine niedrigere Eigenkapitalquote, dafür ist das Portfo-
lio deutlich diversifizierter & werthaltiger. Daraus ergibt sich eine Unterbewertung von 50 %.

 

Vision

„clearvise: clear, visionary & energetic“

„Eine ökologische und ökonomisch sinnvolle Energiewende
zum Wohle aller ist möglich. Mit einem kaufmännisch und
technisch optimierten Erzeugungsportfolio wird sauberer
Strom erzeugt und nachhaltig Mehrwert geschaffen: Für die
Umwelt, für die Aktionäre und für eine lebenswerte Zukunft.“

 

Aktienkurs in €

Unternehmensgeschichte

Frühe Anfänge unter Abo Wind (1996–2009)

Im Jahr 1996 gründen Dr. Jochen Ahn und Matthias Bockholt den grünen Projektierer Abo Wind. Bis 2005 werden ausschließlich Windparks entwickelt, ab 2005 dann auch vereinzelt Biogas-anlagen. Mit Ausbruch der Finanzkrise 2007 gerät Abo Wind jedoch in eine finanzielle Schieflage. Die Finanzierung sich bereits in Entwicklung befindlicher Windparks wird schier unmöglich und externe Investoren springen ab und suchen das Weite.

Besonders schwer lastet der Umstand, dass noch kurz vor Ausbruch der Finanzkrise mit der Entwicklung der zwei irischen Mega-Parks Glenough und Gortahile begonnen wurde. Die Finanzierung beider steht auf der Kippe. Für Glenough kann kein Käufer gefunden werden und selbst der bereits verkaufte Park Gortahile muss von einem dänischen Fonds, dem es nicht gelungen ist eine Bankfinanzierung auf die Beine zu stellen, wieder zurückgekauft werden. Aus der Not heraus gründet Abo Wind gemeinsam mit der Umweltbank am 14. März 2008 die Eurowind AG, um nicht veräußerbare Windparks auf eigene Rechnung weiterzuentwickeln und zu betreiben. Um sich finanziell über Wasser zu halten, werden Genussscheine emittiert.

Gründung Abo Invest (2010)

Um den Fortbestand und Betrieb der eigenen Windparks langfristig zu sichern, gründet Abo Wind im Jahr 2010 die Abo Invest AG. In diesem Zuge üben 50 weitere Investoren ihr quotales Vorkaufsrecht aus und schießen 3,2 Mio. Euro an frischem Geld in das neue Unternehmen. Die Anteilshöhe von Abo Wind reduziert sich dadurch auf 35 %.

Im Anschluss verkauft Abo Wind die Eurowind AG mit ihren vier Windparks im Eigenbestand für 5 Mio. Euro an die Abo Invest. Da die Windparks mit Fremdkapital von 91 Mio. Euro und Genussscheinkapital von 13 Mio. Euro belastet sind, liegt die Eigenkapitalquote von Abo Invest zu Beginn bei bedrohlichen 3 %.

Die „Bürgerwindaktie“ (2011–2018)

Am 15. August 2011 wird der Börsengang vollzogen und die Aktie fortan im Freiverkehr gehandelt. In diesem Zuge startet eine bis heute anhaltende Kette von Dutzenden von Kapitalerhöhungen. (Tabelle rechts)

Insgesamt wurden 18 Kapitalerhöhungen in den letzten elf Jahren durchgeführt, überwiegend ohne Bezugsrecht für Altaktionäre. Lediglich 2018 bis 2020 wurden keine Kapitalerhöhungen durch-
geführt. In diesem Zeitraum stagnierte auch der Ausbau des Portfolios, der Aktienkurs brach erstmalig auf Jahressicht deutlich ein und der Ruf nach Veränderungen wurde laut.

Schicksalsträchtige Hauptversammlung (2019)

Auf der Hauptversammlung am 28. Juni 2019 kommt es zu einem Aktionärsputsch. Dr. Benedikt Kormaier vom aktivistischen Investor Enkraft gelingt mit nur 11,5 % die Machtübernahme. Grund hierfür ist eine Satzungsregelung, wonach kein Aktionär mehr als 10 % der Stimmrechte ausüben darf.

Da die Stimmen von Dr. Kormaier auf mehrere Gesellschaft verteilt sind, sticht dieser Abo Wind trotz erheblich größeren Anteilsbesitz aus. Darauf-hin entsendet Dr. Kormaier die zwei Anwälte Oliver Kirfel und Martin Rey in den Aufsichtsrat.

Neuausrichtung (2020–2021)

Nach dem Machtsturz beginnt Abo Wind sich gänzlich zurückzuziehen. Anfang 2020 übernimmt Petra Leue-Bahns das Ruder im Vorstand und ein Großteil des Aktienpakets von Abo Wind landet beim Familiy Office von Alexander Samwer. Der Firmenname wird in clearvise umgeändert und das Portfolio begleitet von mehreren Kapitalerhöhungen diversifiziert.

Heute

Die clearvise AG betreibt ein Portfolio an Wind- & Solarparks sowie einer Biogasanlage. Die Windparks stehen in Deutschland, Frankreich, Irland & Finnland, die Biogasanlage und die Solarparks in Deutschland. Die Gesamtnennleistung des Portfolios beträgt 303 MW.

Neben dem Vorstand hat die Gesellschaft lediglich 10 Mitarbeiter, die überwiegend im Asset Management tätig sind. Zum Ausbau des Porfolios kauft die Gesellschaft schlüsselfertige Anlagen und arbeitet hierbei unter anderem mit verschiedenen grünen Projektierern zusammen. Bis 2025 soll das Portfolio auf mindestens 750 MW mehr als verdoppelt werden.

 

Aktionärsstruktur Stand Juli 2022

 

Geschäftstätigkeit

a) Allgemein

Bei clearvise dreht sich alles um den Betrieb, die Optimierung und den Ausbau des Bestandsportfolios. Da Parks nicht selbst entwickelt werden, gibt es auch keine Pipeline im klassischen Sinne. Es existieren lediglich von Marktpreisen abhängige Vorkaufsrechte und vertraglich gesicherte Projekte.

Bis 2020 wurde ausschließlich mit Abo Wind als Entwickler zusammengearbeitet. Seitdem kam es bei zahlreichen Neuprojekten auch zu einer Zusammenarbeit mit den Entwicklern Altus AG, GP Joule GmbH und RP Global Austria GmbH. Das derzeitige Portfolio ist wie folgt strukturiert:

 

 

Beim Portfolio sticht die hohe Diversifikation hervor. Die Energieerzeugung von Wind und Sonne ergänzt sich über den Jahresverlauf hinweg sehr gut. Der Ländermix sorgt zudem für eine Risikostreuung hinsichtlich regulatorischer Rahmenbedingungen und regionaler Sonnen- oder Windintensität.

Auch bei der Vermarktung des Stroms wird versucht, ein Mix aus fester Einspeisevergütung, Direktvermarktung und Stromabnahmeverträgen zu erreichen. Beim Großteil des Portfolios von insgesamt 256 MW besteht ein fester Einspeisetarif, der als garantierte Untergrenze fungiert. Darüber hinaus können die deutschen Parks auch an der Direktvermarktung teilnehmen. Bei 13 MW besteht ein PPA und bei 35 MW eine Mischung aus PPA und Tarif.

b) Portfolio

Neben der ausgeprägten technologischen und geografischen Diversifikation sticht das junge Alter der Anlagen hervor. Das durchschnittliche Alter aller Anlagen liegt bei exakt sechs Jahren, gewichtet je MW sogar nur bei knapp fünf Jahren. Zum Vergleich liegt das durchschnittliche Alter der Parks vom Wettbewerber Energiekontor bei 14,3 Jahren, gewichtet bei 15,1 Jahren.

c) Strategie & Ziele

In der Branche lautet die Maxime: Je größer und diversifizierter ein Portfolio, desto größer der Wert je MW. In Sachen Diversifikation ist clearvise am deutschen Börsenparkett aus geo-
grafischer und technologischer Sicht bereits einer der diversifiziertesten grünen Stromerzeuger.

Bei der Größe des Portfolios befindet sich clearvise in etwa auf einer Stufe mit Wettbewerber 7C Solarparken. Mit weitem Abstand rangiert hingegen die Encavis AG mit einem Portfolio von knapp 2.000 MW. Um in die deutlich höhere Bewertungssphäre von Encavis zu kommen, hat das Management von clearvise folgende Ziele ausgerufen:

 

 

Für den beschleunigten Ausbau des Portfolios hat sich der Vorstand folgende drei Modelle ausgedacht: Anlagen in bar schlüsselfertig kaufen (clearVALUE), anderen Betreibern die Einbringung von Parks per Sacheinlage ermöglichen (clearSWITCH) sowie sich Projekte von kleineren Entwicklern vertraglich bereits frühzeitig sichern (clearPARTNERS). Aktuell existieren vier vertraglich gesicherte Projekte von insgesamt knapp 75 MW. Die Tabelle zeigt die Aufschlüsselung mit erwarteter Inbetriebnahme. Neben diesen Projekten wurde mit dem Großaktionär Tion Renewables AG eine Willensvereinbarung unterzeichnet. Damit könnte das Portfolio im Wege von „clearSWITCH“ schlagartig um 159 MW ansteigen.

 

Sonderkomplex Tion-Transaktion

 

Geschichte. Im Jahr 2019 wurde ein 60-MW-Portfolio von Wind- und Solarparks in die Pacifico Renewables Yield GmbH eingebracht und ein Formwechsel in eine AG vollzogen. Am 19. November 2019 kam es dann zum IPO im Freiverkehr zu einem Kurs von 21,50 Euro und damit einer Unternehmensbewertung von rund 24 Mio. Euro. Seitdem wurden zahlreiche Kapital-
erhöhungen durchgeführt und das Portfolio
auf 159 MW ausgebaut.

Verbindung zu clearvise. Hauptaktionär bei Pacifico von erster Stunde an war die Pelion Green Future GmbH, ein zum Family-Office von Alexander Samwer gehörendes Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren Energien. Zur Pelion-Gruppe gehören unter anderem auch die Entwickler Pacifico Energy Partners, ACE Power und Boom Power. Mit Ausstieg von Abo Wind bei clearvise ergriff Samwer die Gelegenheit, auch beim Wettbewerber im größeren Umfang einzusteigen. Zur Hauptversammlung 2020 vereinte Samwer bereits 10 % der Stimmrechte. In Interviews zeigte sich der sonst ruhigere der drei Samwer-Brüder ambitioniert und sprach davon, einen grünen Konzern im DAX-Format zu formen.

Zusammenschluss. Am 13. Juli 2022 wurde der Abschluss einer Willenserklärung verkündet, das Pacifico-Portfolio in clearvise einzubringen. Unmittelbar im Anschluss an die Verkündung brachte Pelion seinen 21,9 %-Anteil an clearvise bei Pacifico ein und benannte die Gesellschaft in Tion Renewables AG um. Teil der geplanten Transaktion ist die Aufstockung auf rund 40 % an clearvise, der restliche Wertbetrag soll in bar bezahlt werden. Die genaue Ausgestaltung ist jedoch weiterhin unklar. So könne der perspekti-vische Anteil an clearvise auch etwas höher Richtung 45 % ausfallen und der Barausglich sich dahingehend verringern. Laut clearvise-Vorstand wurde sich mit der großen Kapitalerhöhung im Dezember bereits vorausschauend für den Deal positioniert.

 

Corporate Governance

„Aufsichtsrat und Vorstand sind Gutsverwalter, nicht Gutsherren.“ (Prof. Dr. Klaus Tolksdorf)

Die Analyse der Unternehmensführung ist eng orientiert an den Abstimmungsrichtlinien der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, eine der größten Aktionärsvereinigungen in Deutschland. Bewertet wird die Fachlichkeit, Unabhängigkeit und Angemessenheit von Vorstand, Aufsichtsrat & Statut. Ausgehend von 24 Punkten gibt es je Mängel einen Punkt Abzug. Daraus ergibt sich folgendes Punktesystem:

a) Statuten

In der Kategorie Statuten werden strukturelle Aspekte bewertet, die ihren Ursprung in der Vergangenheit haben und auf die Vorstand und Aufsichtsrat nicht oder nur im geringen Umfang mittels HV-Beschluss eine Veränderung bewirken können. Als klassische AG mit dualistischem Führungs-system, nur einer Aktiengattung und keinen Sonderrechten für einzelne Aktionäre erfüllt die clearvise AG die meisten Kriterien. Einen Punkt Abzug gibt es lediglich für die Notierung im Freiverkehr.

Diskutabel unter dem Aspekt „Großaktionäre“ ist die Reputation von Alexander Samwer aufgrund der Vorfälle bei Rocket Internet in den letzten Jahren. Da Alexander Samwer aber bereits seit 2013 seine geschäftliche Tätigkeit für Rocket Internet und Global Founders Capital beendet hat, wird keine Veranlassung gesehen, hierfür einen Punkt abzuziehen.

b) Vorstand

Petra Leue-Bahns (CEO) startete ihre Karriere 1994 als Analystin
bei verschiedenen Investmentfonds. Zwischen 2001 und 2014 folgten unterschiedliche Leitungspositionen bei grünen Entwicklern und Bestandshaltern, bevor sie 2014 in die Geschäftsleitung von Abo
Wind wechselte und dort die Verantwortung für die Finanzen und
den Projektverkauf übernahm. Ende 2019 erfolgte dann die Berufung
in den Vorstand von clearvise.

Manuel Sieth (CFO) begann seine Berufslaufbahn
2011 in der Projektfinanzierung bei der LBBW, wechselte
dann 2013 aber bereits zu Abo Wind als Dealmaker.
Es folgte eine Zwischenstation als Senior Portfolio-
manager bei einer Investmentgesellschaft der Talanx
Group, bevor er 2021 dann zu clearvise wechselte und
dort die Verantwortung für die Finanzen übernahm.
2022 wurde Manuel Sieth zum CFO berufen und kümmert
sich seitdem auch maßgeblich um die IR-Arbeit.

Fachlichkeit. Die berufliche Erfahrung und Expertise beider Vorstände ist überzeugend. Beide weisen viele Jahre Branchen-erfahrung auf, Leue-Bahns viele Jahre auf Geschäftsführungs-
ebene. Die Anzahl von zwei Vorständen scheint für ein Unter-
nehmen in der Größe von clearvise stimmig. Beratungsauf-
wendungen für Managementdienstleistungen gibt es kaum.

Unabhängigkeit. Es sind keine Faktoren bekannt, welche die Unabhängigkeit der Vorstände einschränken. Beide Vorstände sind aus ihrer Vergangenheit natürlich eng mit Abo Wind verbunden, haben dort aber keine offiziellen Mandate mehr inne. In seinen Handlungen agiert der neue Vorstand augenscheinlich im Interesse des Unternehmens und damit aller Aktionäre.

Angemessenheit. Der Vorstand bemüht sich, eine möglichst hohe Transparenz zu gewährleisten und bereitet derzeit ein Uplisting in den organisierten Markt vor. Manuel Sieth ist dafür bekannt, für Aktionärsfragen – sowohl von privater als auch institutioneller Seite – stets zur Verfügung zu stehen. Ein unein-geschränkter Bestätigungsvermerk liegt ebenfalls vor.

c) Aufsichtsrat

Fachlichkeit. Der Aufsichtsrat ist mit drei Rechtsanwälten sehr juralastig besetzt. Lediglich AR-Mitglied Oliver Kirfel ist unter den Rechtsanwälten rein auf den Bereich der Erneuerbaren Energien fokussiert. Es wird angeregt, den Aufsichtsrat mit noch mehr Branchenexpertise zu besetzen, beispielsweise Experten aus dem Bereich Projektierung – den operativ wichtigsten Partnern von clearvise. Einen weiteren Punkt Abzug gibt es für eine überhäufte Anzahl von Mandaten, beispielsweise beim Vorsitzenden Martin Rey.

Unabhängigkeit. Es sind keine Faktoren bekannt, welche die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder einschränken. Auch der Abschlussprüfer erbringt lediglich Prüfungsleistungen. Die Prüfungsdauer von fünf Jahren ist ebenfalls noch tragbar.

Angemessenheit. In Sachen Transparenz gibt es einen Punkt Abzug, da die Mandate der Organmitglieder nicht oder teilweise sogar fälschlich ausgewiesen werden. Die Vergütungssysteme erscheinen hingegen sowohl von der Struktur als auch nominalen Höhe angemessen.

d) Fazit

 

 

 

 

 

 

 

Bewertung

Die clearvise AG wird von drei Analystenhäusern fortlaufend analysiert, die mittels Discounted-Cashflow-Analyse auf Kursziele zwischen 3,70 und 3,90 Euro kommen. Einen weiteren Hinweis auf den Wert des Portfolios gibt die im Rahmen der Tion-Transaktion erste indikative Bewertungsspanne zwischen 207 und 253 Mio. Euro. Dies würde exklusive der letzten Kapitalerhöhung einer Bandbreite beim Aktienkurs von 3,26 bis 3,99 Euro entsprechen.

Da der enorme Kapitalbedarf fortlaufend zu Kapitalerhöhungen führt, kommt dem Verwässerungsfaktor ein bedeutender Wert bei. Neben den skizzierten indikativen und Cashflow-orientierten Bewertungsansätzen wird sich im Rahmen dieser Analyse ausschließlich auf den Peergroup-Vergleich fokussiert. Neben clearvise gibt es auf dem deutschen Börsenparkett lediglich 7C Solarparken und Encavis, bei denen der Fokus weit überwiegend auf der Bestandshaltung von Wind- und Solarparks liegt.

Der unbereinigte Vergleich zeigt, dass ein MW bei Encavis rund 84 % höher als bei clearvise und rund 51 % höher als bei 7C bewertet wird. Jedoch ist die Vergleichbarkeit zu Encavis auch deutlich schwieriger, da das Portfolio signifikant größer ist und auch weitere Segmente neben der Stromerzeugung bestehen. Aus diesem Grund wurde zur besseren Vergleichbarkeit folgend eine Bereinigung der Portfolien von 7C und clearvise vorgenommen:

Im Vergleich mit 7C wurde bereinigt, dass clearvise deutlich mehr Windparks (169 MW) als 7C (5,9 MW) aufweist. Zugunsten 7C wurde hingegen der Wert der eigenen Grundstücke sowie ein geschätzter Werteffekt aufgrund eigenkapitalbedingter günstiger Refinanzierungszinsen bereinigt. Im Endergebnis stellt
sich bei Ansatz dieser Annahmen heraus, dass das Portfolio von 7C im Vergleich zu dem von clearvise bezogen auf den Enterprise Value um 51 % höher bewertet wird.

Risiken & Kritik

Staatlicher Eingriff. Das derzeit größte Risiko und eine damit verbundene hohe Unsicherheit rührt von externen Faktoren her, allen voran den Gewinnabschöpfungsbegehren Deutschlands und weiterer europäischer Staaten. Die Unsicherheit über die genaue Ausgestaltung und die Schädigung der Investitionsbereitschaft ist weiterhin kaum quantifizierbar und birgt damit ein erhebliches Bewertungsrisiko. Zugute kommt clearvise im Vergleich mit anderen Wettbewerbern die hohe geografische Diversifikation, welche möglicherweise eine Art Puffer darstellt.

Steigende Zinsen. Das Geschäftsmodell von clearvise ist äußerst kapitalintensiv. Es besteht nahezu keinerlei vor- oder nachgelagerte Wertschöpfung. Für das Asset Management und insbesondere den Ausbau des Portfolios ist das Zinsumfeld von großer Bedeutung, da die höheren Zinsen die Marge drücken. Anderseits hat clearvise bereits ein großes Portfolio mit niedrigen und langfristig gebundenen Zinssätzen. Das sich möglicherweise in höheren Marktpreisen niederschlagende Zinsniveau könnte für clearvise kurzfristig sogar erst einmal eine Steigerung der Werthaltigkeit bewirken.

Entwicklung Strompreis. Auch unabhängig vom Ukrainekrieg zeigt sich seit Jahren bereits ein stetiger Anstieg der Strompreise in Europa. Mit der zunehmenden Elektrifizierung spricht viel dafür, dass dieser Trend weiter anhalten wird. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein und die Strompreise stark fallen, könnten die Bewertungen bröckeln und damit verbunden die höheren Zinsen im Extremfall sogar zu eine Existenzbedrohung führen. Bis dahin besteht aber noch viel Puffer, da die Stromerzeugung dank der festen Einspeisetarife und PPAs auf Sicht von vielen Jahren profitabel ist.

Tion-Transaktion. Die anvisierte Tion-Transaktion birgt auch viel Risiken. Es besteht die Gefahr, dass der Deal eher zugunsten von Tion ausfällt und alle anderen Aktionäre übermäßig verwässert werden. Weiterhin führt der Vollzug der Transaktion dazu, dass Tion vermutlich zwischen 40 und 45 % der Anteile kontrollieren und damit die faktische Kontrollmacht innehaben wird. Dies könnte wiederum die Grundlage für eine etwaige Verfolgung partikulärer Interessen sein. Aufgrund der offensichtlichen Bedeutung der Kapitalmarktfähigkeit scheint es aber eher unwahrscheinlich, dass Tion leichtfertig das Vertrauen der Investoren verspielen wird.

Chancen & Lob

Auffällige Unterbewertung. Die große Bewertungsdiskrepanz im Vergleich zum sehr ähnlichen Wettbewerber 7C offenbart auch ohne weiteres Wachstum bereits ein Kurspotenzial von 51 %. Der noch mal große Sprung von 128 % auf das Bewertungsniveau von Encavis zeigt das enorme Potenzial bei erfolgreicher Umsetzung der Wachstumsziele.

Hohe Werthaltigkeit. Das Portfolio von clearvise sticht durch seine hohe geografische und technologische Diversifikation hervor. Dies sorgt für deutlich stetigere Cashflows im Vergleich zu einer 7C, deren Portfolio zu über 90 % aus Solarparks in Deutschland besteht. Ferner ist das clearvise-Portfolio hochmodern und damit sehr effizient. Dadurch hat das Management beim weiteren Portfolioausbau den Rücken frei, da das Thema Repowering in den nächsten zehn Jahren nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Anstehender Wachstumsschub. Durch die Tion-Transaktion würde clearvise auf einen Schlag zum zweitgrößten unabhängigen Stromerzeuger am deutschen Börsenparkett avancieren. Die Werthaltigkeit des Portfolios bekäme einen deutlichen Schub. Aber auch ohne die Tion-Transaktion ist der Pfad zu einem „Gigawatt“-Unternehmen gut abgesteckt. Diese komfortable Situation beschert clearvise auch eine gute Verhandlungsposition mit Tion.

Exzellentes Management. Mit 20 von 24 Punkten schneidet clearvise bei der Bewertung der Corporate Governance respektabel ab. Vor allem glänzt der Vorstand mit einer Höchstbewertung. Innerhalb von nur zwei Jahren hat Petra Leue-Bahns die Gesellschaft auf eigene Beine gestellt. Dabei ist vor allem der Aufbau eines schlagkräftigen Teams, ein Netzwerk an namhaften Projektpartnern und die Turbo-Diversifikation anzuführen.

Fazit. Die clearvise AG hat operativ in den letzten zwei Jahren große Fortschritte gemacht. Dennoch scheint der Kapitalmarkt die Früchte der neuen Eigenständigkeit, des größeren und werthaltigeren Portfolios sowie des exzellenten Partnernetzwerks noch nicht zu honorieren. Dadurch besteht für Aktionäre nun noch die Möglichkeit, sich günstig in ein top-modernes, effizientes, stark wachsendes und breit diversifiziertes Portoflio an europäischen Wind- und Solarparks zu einem Discountpreis einzukaufen.

Quellen

Haftungsausschluss

Der Inhalt stellt eine journalistische Publikation dar. Sie dient ausschließlich Unterhaltungs- und Lernzwecken und stellt ausnahmslos zu jeder Zeit unsere persönliche Meinung und Einschätzung dar. Wir haben sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert, können jedoch keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte übernehmen. Zudem wird darauf verwiesen, dass ausschließlich Informationen berücksichtigt wurden, die dem Autor zum Stand der Veröffentlichung bekannt gewesen sind. Die Informationen stellen ausdrücklich keine Anlageberatung und keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendwelcher Finanzprodukte dar. Weiterhin handelt es sich zu keinem Zeitpunkt um eine Anlageberatung, Rechtsberatung, Steuerberatung oder irgendeine andere fachliche Beratung. Weder die SdK noch der Autor übernehmen eine Haftung für Schäden und Verluste, die auf fehlende oder falsche Informationen oder Nutzung bzw. Nichtnutzung der dargebotenen Informationen zurückzuführen sind. Jeder Anleger wird hiermit dazu aufgefordert, sich seine eigenen Gedanken zu machen, bevor eine Investitionsentscheidung getroffen wird. Risikohinweis: Die Investition in Finanzprodukte wie Wertpapiere, Anteile und Kredite ist mit hohen Risiken bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals verbunden. Der Inhalt richtet sich ausschließlich an Einwohner der Bundesrepublik Deutschland.

Autor: Paul Petzelberger
Transparenzhinweis: Der Autor und die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger halten Aktien der clearvise AG und der 7C Solarparken AG.