Nemetschek SE Score 04/2024

Corporate-Governance-Score


Die Analyse der Unternehmensführung ist eng orientiert an den Abstimmungsrichtlinien der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, eine der größten Aktionärsvereinigungen in Deutschland. Bewertet wird die Fachlichkeit, Unabhängigkeit und Angemessenheit von Vorstand, Aufsichtsrat & Statut. Ausgehend von 24 Punkten gibt es je Mängel einen Punkt Abzug. Daraus ergibt sich folgendes Punktesystem:

a) Statuten


In der Kategorie Statuten werden strukturelle Aspekte bewertet, die ihren Ursprung in der Vergangenheit haben und auf die Vorstand und Aufsichtsrat nicht oder nur im geringen Umfang mittels HV-Beschluss eine Veränderung bewirken können.

Die Nemetschek-Aktie ist im MDAX und damit Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet und den damit verbundenen hohen Transparenzanforderungen verpflichtet. Es ist das übliche dualistische Führungssystem verankert und es gibt nur eine Aktiengattung.

Einen Punkt Abzug gibt es für die Rechtsform der SE, bei der das Missbrauchspotenzial höher als wie bei der klassischen AG ist, bspw. durch die gegebenen Wahlmöglichkeiten bei Firmensitz & Führungssystem.

Negativ als Sonderrecht gewürdigt werden muss die Position des Ehrenvorsitz für Professor Georg Nemetschek. Sollte diese mit keinerlei praktischen Befugnissen versehen sein, wäre dies unproblematisch. Jedoch fehlt aufgrund der Nicht-Veröffentlichung der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats hierüber Intransparenz, weswegen dem Reglement nach ein Punktabzug erfolgen muss.

b) Vorstand


Fachlichkeit.
Beide Vorstandsmitglieder verfügen über hochkarätige und stimmige Kompetenzprofile. Sowohl CEO Yves Padrines (ehemals PwC) als auch CFO Louise Öfverström (ehemals KPMG) haben ihre Berufslaufbahn bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften begonnen und in den letzten zwanzig Jahren leitende Funktionen in diversen Großkonzernen innegehabt. Für einen MDAX-Konzern ist ein nur zweiköpfiger Vorstand äußerst schlank, was aus „Group“-Perspektive jedoch nachvollziehbar ist und Padrines und Öfverström angesichts der exzellenten Geschäftsentwicklung zur Anerkennung gereicht.

Der Kostenapparat in Form der sonstigen Aufwendungen wird weitgehend aufgeschlüsselt und beinhaltet nominal sowie in Relation zum Umsatzwachstum keine Unstimmigkeiten. Wünschenswert ist eine noch detailliertere Aufschlüsselung, beispielsweise der Rechts- und Beratungskosten sowie der Position „Übrige“.

Unabhängigkeit. Es sind keine Faktoren bekannt, welche die formale Unabhängigkeit der Vorstände einschränken. Auch im konkreten Handeln des Vorstands ist keine partikuläre Beeinflussung zu sehen. Rechtsverfahren gegen einzelne Vorstandsmitglieder sind nicht bekannt.

Angemessenheit. Die Transparenz in der Berichterstattung ist auf einem hohen Niveau. Auch mit Blick auf das HV-Format scheut der Vorstand nicht den persönlichen Kontakt mit den Anteilseignern und setzt wie von der SdK gefordert auf die bewährte Präsenz-Hauptversammlung.

Die für 2023 vorgeschlagene Dividende in Höhe von 0,48 Euro je Aktie stellt gemessen am Jahresüberschuss von 1,40 Euro je Aktie eine Ausschüttungsquote von rund 34 % dar und liegt damit leicht unter der von der SdK grundsätzlich empfohlenen Bandbreite von 40 bis 60 %. Dies ist im Sinne der Dividendenkontinuität (elfte Dividendenerhöhung in Folge) tragbar, auch angesichts der im Vergleich zum Vorjahr von 32 auf 34 % angestiegenen Ausschüttungsquote, die sich den geforderten 40 % annähert.

Klar ist aber auch, dass die Gesellschaft mit einer Eigenkapitalquote von rund 61 % und einer Nettoliquidität von 261 Mio. Euro sorglos deutlich mehr ausschütten könnte. Die Wachstumsstrategie hin zu einem führenden KI-Unternehmen ist jedoch stimmig, die Kapitalallokation vor diesem Hintergrund ebenfalls. Keine Bedenken gibt es ferner beim uneingeschränkt erteilten Testat des Abschlussprüfers.

c) Aufsichtsrat


Fachlichkeit.
Der Aufsichtsrat ist hochkarätig mit Branchenexpertise besetzt. Besonders positiv ist die gute Mischung aus Branchenexpertise und aufsichtsrechtlichen Know-how anzuführen. Die zeitliche Verfügbarkeit ist aufgrund einer Ämterüberhäufung ausschließlich beim Aufsichtsratsvorsitzenden Kurt Dobitsch formal eingeschränkt. Dies stellt bei einem sechsköpfigen Aufsichtsrat in der Gesamtschau noch einen akzeptablen Umfang dar.

Unabhängigkeit. Ebenfalls ist die Unabhängigkeit vom Aufsichtsratsvorsitzenden formal aufgrund einer Zugehörigkeit zum Gremium seit 1998 eingeschränkt. Auch dies ist akzeptabel, da die Familie Nemetschek mit keinerlei direkten Familienmitglied vertreten und damit Dobitsch selbst als langjähriger Weggefährte als abhängig eingestuft, die Familie Nemetschek entsprechend ihrem Anteilsbesitz immer noch klar unterproportional vertreten ist.

Kritisch zu würdigen ist der mit dem Aufsichtsratsmitglied Dr. Gernot Strube geschlossene Beratervertrag – weniger aufgrund dessen generellen Bestehens, vielmehr aufgrund der Intransparenz über dessen Volumen und Ausgestaltung. Auch das Aufsichtsratsmandat birgt in sich bereits eine zukunftsgerichtete Beratung, weswegen ein gesonderter Beratungsvertrag ohne weitere Erläuterung und Begründung zu beanstanden ist.

Angemessenheit. Der Aufsichtsratsbericht ist außerordentlich ausführlich und aussagekräftig, kurzum vermittelt einen guten Einblick in die profunde Arbeit des Kontrollgremiums. In 2023 wurden zahlreiche positive Initiativen zur Stärkung der Corporate Governance implementiert, wie beispielsweise die Einrichtung eines Prüfungsausschusses, der sogleich eine äußerst intensive Ausschussarbeit aufgenommen hat und darüber auch transparent berichtet.

Die verankerte Vergütung des Aufsichtsrats ist nominell sowie strukturell in der Gesamtschau stimmig. Die in 2022 vorgenommene Reduzierung der festen Vergütung von bisher 200 TEUR auf 140 TEUR für die Mitglieder des Aufsichtsrates und von 250 TEUR auf 200 TEUR für den Aufsichtsratsvorsitzenden sowie die Schaffung einer zusätzlichen Vergütung für die Mitgliedschaft in einem Ausschuss von 15 TEUR für die Mitglieder und 30 TEUR für den Vorsitzenden war sachgerecht. Hierdurch wird die Ausschussarbeit zusätzlich honoriert. Nicht zeitgemäß erscheint die Zahlung eines zusätzlichen Sitzungsgeldes von 4 TEUR für die persönliche Teilnahme an Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen sowie auch mittels Video- oder Telekonferenz. Hier gibt es noch Nachbesserungspotenzial.

Das System der Vorstandsvergütung des Vorstand weist größere Mängel auf, unter anderem Change-of-control-Klauseln sowie die Möglichkeit einer vorübergehenden Abweichung vom Vergütungssystem.

 

d) Fazit

 

 

 

 

 

 

 

Zu den SdK-Abstimmungsverhalten

AV

Paul Petzelberger
HV-Sprecher

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