
11 Jan. 1&1 AG Score März 2023
Corporate-Governance-Score
Die Analyse der Unternehmensführung ist eng orientiert an den Abstimmungsrichtlinien der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, eine der größten Aktionärsvereinigungen in Deutschland. Bewertet wird die Fachlichkeit, Unabhängigkeit und Angemessenheit von Vorstand, Aufsichtsrat & Statut. Ausgehend von 24 Punkten gibt es je Mängel einen Punkt Abzug. Daraus ergibt sich folgendes Punktesystem:
a) Statuten
Unter Statuten werden strukturelle Aspekte bewertet, die ihren
Ursprung in der Vergangenheit haben und bei denen das Management gar nicht oder nur mittels HV-Beschlussvorschlag auf eine Veränderung hinwirken kann. Als klassische AG mit einem dualistischen Führungssystem, einer Notierung im SDAX, nur einer Aktiengattung sowie keinen satzungsverankerten Sonderrechten für einzelne Aktionäre, erfüllt 1&1 die meisten Kriterien.
Einen Punkt Abzug gibt es aufgrund des Auftretens des Mehrheitseigners United Internet. Der MDAX-Konzern hält 78,32 % an 1&1 und könnte damit theoretisch einen Gewinn- und Beherrschungsvertrag abschließen, was jedoch unterlassen wird. Stattdessen wird Geld mittels voluminöser interner Leistungsverrechnungen in dreistelliger Millionenhöhe aus dem Unternehmen gezogen.
b) Vorstand
Fachlichkeit. Die einzelnen Vorstandsmitglieder verfügen über gute Kompetenzprofile. In der Zusammensetzung ist jedoch die zeitliche Verfügbarkeit in Frage zu stellen. Sowohl Gründer und CEO Ralph Dommermuth als auch CFO Markus Huhn sind beide ebenfalls im Vorstand des Mehrheitsaktionärs United Internet vertreten.
Die Verwaltungskosten konnten im Geschäftsjahr 2022 von 126 auf 111 Mio. Euro gesenkt werden. Insbesondere der signifikante Rückgang der Rechts- und Beratungskosten von ehemals 32,7 auf nunmehr 9,9 Mio. Euro ist erfreulich.
Unabhängigkeit. Auch bei der Bewertung der Unabhängigkeit finden die Umstände Berücksichtigung, dass der Vorstand zu Zweidritteln mit Mitgliedern des Vorstands des Großaktionärs besetzt ist und sich diese eingeschränkte Unabhängigkeit auch praktisch im Handlungsverhalten widerspiegelt. Unter Berücksichtigung der ohne Gewinnaufschlag weiterbelasteten Kosten von 789 Mio. Euro ergibt sich in Addition mit den Leistungsverrechnungen von 220 Mio. Euro ein Milliardenbetrag, der ohne das Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom Mehrheitsaktionär aus der 1&1 AG gezogen wird.
Angemessenheit. Die beschriebenen in ihrer Höhe und Zusammensetzung nicht nachvollziehbaren Verrechnungen und Weiterbelastungen stellen auch ein Transparenzproblem dar. Ferner ist die Dividen-denpolitik kritisch zu sehen. Selbst wenn die anlaufenden Ausbaukosten des 5G-Netzes wohlwollend berücksichtigt werden, lassen sowohl die Cashflow- als auch die Ergebnisentwicklung eine höhere Auszahlung als die Mindestdividende zu. Auch hier zeigt sich die Handschrift des Großaktionärs.
c) Aufsichtsrat
Fachlichkeit. Die Mitglieder des Aufsichtsrats verfügen über eine zum Geschäftsmodell der Gesellschaft gut passende und sich gegenseitig gut ergänzende Expertise. Auch die Verfügbarkeit ist überwiegend gewährleistet. Ausschließlich beim Aufsichtsratsvorsitzenden liegt eine Ämterüberhäufung vor, was in der Gesamtschau tragbar ist.
Unabhängigkeit. Auf dem Papier sind die Aufsichtsratsmitglieder allesamt unabhängig. Lediglich der stellvertrende Aufsichtsrats-vorsitzende Norbert Lang war als ehemaliger Finanzvorstand der United Internet AG früher mit dem Mehrheitsaktionär verbunden.
Dies liegt aber bereits sieben Jahre zurück, weswegen auch hier
von einer ausreichend gewährten Unabhängigkeit gesprochen
werden kann. Punkt Abzug gibt es für das Absegnen der Leistungsverrechnungen.
Angemessenheit. Ebenfalls erfolgt analog zum thematisierten
Kasus auch beim Aufsichtsrat ein Punkt Abzug mit Blick auf die
Transparenz. Es wäre die Aufgabe des Kontrollgremiums nicht nur einzuschreiten, sondern überhaupt erst einmal für Transparenz zu sorgen.
Bei der Aufsichtsratsvergütung wirkt das Instrument des Sitzungsgeldes im Zeitalter des Berufsaufsichtsrats deplatziert. Ansonsten basiert das Vergütungssystem auf einem reinen Fixum, dass auch der Höhe nach angemessen erscheint. Auch das Vergütungssystem für den Vorstand ist in seiner Gesamtheit stimmig konzipiert.
d) Fazit
Zu den SdK-Abstimmungsverhalten